"Verwandlung"
Foto: Jens Ziehe
Monat: September 2022
10
Für den 1. Advent 1989 planten Dömitzer Bürger:innen eine Lichterkette auf dem Elbdeich – Diese Idee wurde von Christophorus Baumert, dem Diakon der Katholischen Kirche, klammheimlich den Mitgliedern der Dannenberger Kirchengemeinde unterbreitet, die den Plan gerne aufnahmen. Und so standen sich, zur Überraschung der Dömitzer, in der Abenddämmerung, hüben und drüben zahlreiche Menschen mit Kerzen in den Händen gegenüber. – „Hallo“ riefen die Dömitzer, erst zaghaft, dann kräftig – „Shalom“, erwiderten die Dannenberger – vielleicht ein bisschen verwundert über den Gruß der Dömitzer – der so, verzerrt durch den Wind – über das Wasser klang. – Welch schönes, anrührendes Missverständnis!
(aus einem kleinen Film über die Familie Baumert / zu finden auf der Website des Vereins LUK e.V. . www.luk-doemitz.de)
(aus einem kleinen Film über die Familie Baumert / zu finden auf der Website des Vereins LUK e.V. . www.luk-doemitz.de)
9
Freie Fahrt auf der Elbe? Auf der Strecke von Hamburg bis Dresden gab es gab es bisweilen 35 Zollhebestellen und in Dömitz war eine davon. Die Landesfürsten generierten darüber einen Gutteil ihrer Landeseinkünfte. Für die Schiffer aber waren sie ein großes Ärgernis. Kein Wunder, dass man versuchte, die Zollabgaben durch Schmuggelei zu umgehen. Zucker / Kakaobohnen / Chilesalpeter / Wolle / Zigarren und Kaffee waren die bevorzugten Schmuggelgüter.
Als aber die Zollstelle in Dömitz 1863 aufgehoben wurde, war das für die Wirtschaft der Stadt ein herber Verlust. Denn nun legten die Schiffer hier nicht mehr an, um sich mit Lebensmitteln
einzudecken. Die Bäcker, Schlachter und Brauer waren davon besonders stark betroffen.
(Quelle: Jürgen Scharnweber / 775 Jahre Dömitz / Die Elbzollhebestelle in Dömitz)
8
Von 1755 bis 1830 beherbergte die Festung Dömitz ein Zucht- und Stockhaus in dem Strafgefangene und „Irre“ einsaßen. Folgende Gründe für eine Gefangennahme sind im Museum der Festung , aus dem Jahr 1757, aufgeführt: Hausdieberei / Mutterungehorsam / Verdacht des Kindermordes / Zigeuner / Gelddieberei / Brandstiftungsabsicht / Vielmännerei /Muttermißhandlung / Dieberei und Desertion / Hurerei / Wahnwitz / Streit mit dem Ehemann / übles Betragen / Elternungehorsam / Totschlag / Völlerei / gewaltsame Werbung / Blödsinn / liederlicher Lebenswandel / Landstreicherei / Gesöff / Blutschande / ärgerliches Leben / versuchter Kindermord / Melancholie / Ehebruch / tödliche Verwundung des Ehemannes / venerische Krankheit / Stummheit / abergläubige und schädliche Cure / Passvergehen.
7
Hoffnung auf ein besseres Leben erfüllte wohl die Strafgefangenen auf der Festung Dömitz, die
das Angebot erhielten, nach Brasilien auszuwandern und z.T. auch ihre Angehörigen mitnehmen durften.
Etwa 122 Personen aus dem Stock-und Zuchthaus Dömitz wurden in den Jahren 1824 und 1825
als Kolonisten nach Brasilien entlassen. Mecklenburg finanzierte die Ausstattung der zuvor begnadigten Auswanderungswilligen und deren Transport bis Hamburg, der Kaiser von Brasilien, Pedro I, die Überfahrt.
Mit dem Betreten des Schiffs wurden sie zu brasilianischen Bürgern ernannt und hatten die Option als Söldner, Handwerker oder Siedler ein neues Leben zu beginnen. Die Situation in Brasilien war nicht so rosig, wie sie den Auswanderern vorgestellt wurde, und nur ein Teil schaffte es, in der neuen Heimat Fuß zu fassen.
(Jahrbuch für mecklenburgische Geschichte, 122 Jahrgang 2007, Dr. Matthias Mahnke: „Denn das waren zum Theil nur Halbmenschen“ . Mecklenburg-Schwerin und die deutsche Brasilienauswanderung in den 1820er Jahren
irmhild schwarz I kröte 6a I 29496 waddeweitz I 05849 . 1301
6
Im Mai 1848 forderte eine Abordnung Dömitzer Bürger die Absetzung ihres Bürgermeisters Christian Vogel und drohte, ihn aus dem Fenster des Rathauses zu werfen.
Auf seine Frage: „Was wollt Ihr?“ hatten sie geantwortet: „Wir wollen eine Revolution!“–
„Ihr habt doch schon eine“, erwiderte der Bürgermeister.
„Wir wollen noch eine haben“, forderten die Dömitzer.
Die Antwort Vogels, „Die sollt ihr haben, geht nun nach Hause!“ – und das Verlesen der ‚obrigkeitlichen Maßregeln gegen den Umsturz‘ soll nicht gerade zur Befriedung der Situation beigetragen haben.
Der Fenstersturz wurde verhindert durch das beherzte Eingreifen eines Metzgermeisters. –
Nach diesem Vorfall trat der Bürgermeister zurück und das Amt blieb mehrere Jahre vakant.
(Quelle: Hartmut Brun / SVZ / Mecklenburg Magazin . 18.02.2017)
5
Ganz ohne Technik kamen die fussballgroßen Gummibälle aus, die von der DDR aus immer wieder in die Elbe gelassen wurden und flussabwärts trieben. – Sie waren „mit einem Reißverschluss-Symbol versehen – innen gefüllt mit Flugblättern oder vorformulierten Briefen, die DDR-Schulklassen abschreiben mussten und auf die sportbegeisterten WestJungs am Elbufer abzielten. So wurde die Elbe zum Transportweg politischer Botschaften, alles ohne weitere technischen Geräte und risikofrei, einer Flaschenpost ähnelnd“.
(zitiert aus: Axel Kahrs: „Pappraketen und Propaganda“ . Die innerdeutsche Grenze und das Leben im Wendland im Kalten Krieg, Vortrag zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in Schnackenburg . in: Der Heidewanderer, 91. Jahrgang – Nr. 43 . Heimatbeilage der Allgemeinen Zeitung, Uelzen . Sonnabend, 24. Oktober 2015)
irmhild schwarz I kröte 6a I 29496 waddeweitz I 05849 . 1301
4
Die DDR antwortete auf die Aktionen des Westens mit Propagandaraketen aus Pappe, die mit kleinen Flugblättern gefüllt waren. Das klappte nicht immer, wie ein Vorfall zeigte, „der sich am 17. Juni 1967 auf der Elbe ereignete, als eine auf einem NVA-Schnellboot installierte Mini-Raketenbasis ansetzte, den Ort Hitzacker unter Flugblattbeschuss zu nehmen: „Auf einmal explodierte nicht nur die Zündung der Rakete, sondern die ganze Abschussvorrichtung. Brennend wurde das manövrierunfähige Boot auf bundesdeutsches Gewässer abgetrieben.“
(aus: „Der Westwind hilft Bonn im Flugblattkrieg“, in: Kölnische Rundschau vom 20. Juni 1967, zitiert bei: Dirk Schindelbeck . Flugblattschlachten an den Zonengrenze. In: Zeitschrift für die katholischen freien Schulen der Erzdiözese Freiburg . Forum 49, Dez. 2008, S. 111)
1
Keine Brücke, sondern einen unterirdischen Gang, so geht die Sage, ließen die Grafen von Dannenberg, denen im 12. /13. Jh. das Gebiet in und um Dömitz gehörte, zwischen der Dömitzer Burg und dem Dannenberger Waldemarturm anlegen, damit sie trockenen Fusses unter der Elbe hin und her reisen konnten.
Und der Literaturforscher Hartmut Brun berichtet, dass zu DDR-Zeiten offizielle Vertreter der Staatsmacht sich ernsthaft nach der Existenz des Tunnels erkundigten.
(Hartmut Brun, während der Dömitzer Lesorte . 13. August 2022)